Markus Gretschmann: Der Wegbereiter

Leiter des Wegebau-Teams der Augsburger Hütte

01.04.2022

Der Deutsche Alpenverein markiert, beschildert, saniert und pflegt rund 30.000 Kilometer Wanderwege und zahlreiche Klettersteige im Bereich seiner 320 Hütten, vor allem in den Alpen in Deutschland und Österreich – eine aufwändige und teils kostspielige Verpflichtung, die große Verantwortung erfordert. Auch unsere Sektion kümmert sich um viele Kilometer Wege und um Steige, die in jeder Bergsaison von neuem von den Einflüssen des Winters „losgeeist“ und gesichert werden müssen. Eine anstrengende, mitunter nicht ungefährliche Aufgabe auch im hochalpinen Fels, die ein Team von Ehrenamtlichen erfüllt. Sie sind - unbeachtet von der Öffentlichkeit - mit Pickel, Schaufel und Akku-Bohrmaschinen in den Bergen unterwegs, lange bevor die ersten Wanderer die Bergsaison eröffnen. Leiter des „Wegebau-Teams“ ist Markus Gretschmann, den wir diesmal in unserem Ehrenamts-Portrait vorstellen.

Die Alpenvereins-Vita des 50-Jährigen liest sich wie die der meisten Ehrenamtlichen: Schon mit dem Berg-Gen geboren, ging`s bereits als Kind mit den Eltern hoch hinaus. Markus trat 1986 in die Peitinger Sektion ein, war dort Tourenleiter und auch schon im Wegebau im Bereich der Ammergauer Berge aktiv. 1993 verschlug es ihn in die Fuggerstadt zum BWL-Studium und in unsere Sektion. Ein Jobwechsel 2017 war quasi die Initialzündung für die Entscheidung, sich auch in unserer Sektion ehrenamtlich zu engagieren. Denn das US-Unternehmen Salesforce, bei dem Markus seitdem als Bereichsleiter Datenanalyse arbeitet, stellt Mitarbeiter*innen 56 Stunden im Jahr für ehrenamtliche Tätigkeit frei – ein zu lobendes soziales Engagement, das Nachahmer finden sollte. Als unsere Sektion im „alpenblick“ Helfende im Wegebau suchte, meldete sich Markus. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er in dieser Zeit den Augsburger Höhenweg in den Lechtalern gegangen war, der fortan Schwerpunkt seiner Wegearbeit werden sollte. Im vorigen Jahr hat Markus Gretschmann zwei Wegebauseminare absolviert und sich inzwischen ein Team aufgebaut „von Leuten, die fit sind und wissen, was sie tun“, wie er sagt.

Körperliche Fitness, hochalpine Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein sind Voraussetzung für die Arbeit im Wegebau. Denn das Team ist auch ein Garant für die Sicherheit der Wege und Steige – Grundlage der Verhütung von Unfällen im Gebirge.

Kommissarisch hat Markus auch den Posten des Wegewarts der Otto-May-Hütte übernommen, der derzeit verwaist ist. Etwa 15 bis 20 Ehrenamtliche umfasst das Team, das die Wege und Steige rund um diese Unterkunft in den Tannheimer Bergen betreut. In diesem Jahr müssen, wenn der Schnee abgeschmolzen ist, an der Nesselwängler Scharte, der Vilser Scharte und an der Roten Flüh Sicherungen erneuert werden.

Die größeren Herausforderungen freilich warten im Bereich der hochalpinen Augsburger Hütte in den Lechtalern. „Der harte Kern des dortigen Wegebau-Teams“, so umschreibt es Markus, „bilden sechs bis zehn Leute, die wir auch dieses Jahr wieder alle brauchen“. Die Arbeit auf dem Augsburger Höhenweg, der bis auf eine Höhe von über 2.900 Metern führt, verlangt absolute Trittsicherheit, höchste Konzentration und große Ausdauer. „Der Weg ist 12,1 Kilometer lang, teilweise sehr ausgesetzt, hat bis zu 45 Grad steile Schutthänge, brüchiges Gestein und bis in den Sommer hinein Altschneefelder, man braucht schon im Sommer acht bis zehn Stunden, um den Weg zu bewältigen“, nennt der Teamleiter die Erschwernisse. „Es ist eine Sisyphos-Arbeit. Denn jedes Jahr aufs Neue müssen wir die Wege frei pickeln. Nordseitig liegt viel Schnee, der Schneedruck schiebt den feinen Schotter und Lehm immer wieder auf die Wege, Gestein bricht aus“.

In den Höhen um die 3.000 Meter müssen die Wegebauer stets mit Wetterumstürzen rechnen. So sei das Team 2019 im Juli in einen richtigen Schneesturm geraten und musste darin dreieinhalb Stunden zur Augsburger Hütte zurücklaufen. In der Regel müssen die Wegebauer an die 20 Kilo Material mitschleppen – Werkzeug, Bohrer, Seile, Kleber und Markierfarbe. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, fliegt das Team mit dem Heli zum Arbeitsplatz hinauf. „Dann hat man mehr Reserven, auch unter den widrigen Umständen zu arbeiten“, nennt Markus den Grund. Denn die Gesundheit und das Leben seiner Leute gehen immer vor.

Warum nimmt man all diese schwierigen Umstände, die Gefahren auf sich, um ehrenamtlich anderen Wanderern den Weg zu ebnen? Markus braucht über  eine Antwort nicht lange nachzudenken. Als Praktiker und Berggeher, der sich in den heimischen Höhengefilden wohl fühlt, sagt er ganz einfach. „Ehe ich auf dem 30. Gipfel stehe, bewege ich mich lieber in einem Gebiet, das mich interessiert“. Die Wegearbeit sei eine super Erfahrung, das bestätigen immer wieder auch seine Mitstreiter. „Danach sieht man die Wege mit einem ganz anderen Blick“. Markus schätzt, dass er für das Ehrenamt rund 200 Stunden im Jahr aufwendet – von der Planung über die Bestellung von Material bis zu den Sicherungsarbeiten selbst. Der Wegebau sei eine „gute Mischung“ aus Ehrenamt und Bergsport. Markus Gretschmann kennt den Augsburger Höhenweg wie seine Westentasche, wie man salopp sagt. Sein Wissen will er nun auch anderen alpinen Wanderern mitgeben. Mit Fotos hat er die Route genau dokumentiert, ein Bildband soll entstehen, auf der Webseite der Hütte wird es einen Link dazu geben.

 

Autor: Klaus Utzni